Well, Tote Hosen, Polt: Perfekte Mariage von Stubenmusik und Punkrock

Die Frage „Haben Sie noch Karten übrig?“, hatte Hochkonjunktur vor dem Bauerntheater in Schliersee, wo Gerhard Polt, die Toten Hosen und die Well-Brüder am Freitagabend eine – nach eigener Expertise – „kulturelle Zumutung“ ankündigten. Um noch einen der rund 400 Holzstühle zu ergattern, entwickelte ein extra aus München ohne Ticket angereister Fan der Hosen, vom Polt und vom Campino-Lieblingsclub FC Liverpool deshalb kurz vor Einlass eine besondere Taktik. Nachdem seine banale Frage nach übrigen Tickets nur zu Mitleid in den Augen der Gefragten geführt hatte, setzte er auf „Wollen Sie unbedingt rein?“ Ein Teenager reagierte prompt mit „Ich nicht unbedingt.“ Der davon beflügelte Kartensucher witterte sofort seine Chance und konfrontierte des jungen Mannes Begleitung mit: „Dann haben Sie ja einen Platz zu viel.“ Die angesprochene Frau im besten Alter erklärte jedoch bedauernd, dass sie wahrscheinlich nur ein einziges Ticket von Christine Polt bekommen würde. Diese Steilvorlage nahm der Stoderer dankbar auf. Nachdem er des Kabarettisten Ehefrau bei der Kartenübergabe erkannt hatte, erbarmte sich diese nach der Frage „Frau Polt, sind Sie bestechlich? Ich bin ein Riesenfan“ zum Verkauf eines übrig geblieben Sitzes.

Die Raffinesse beim Ticketkauf sollte sich lohnen, denn die Mariage von Stubenmusik, feinsinnigem bis sturem Kabarett, Alphörnern und Punkrock ließ Träger von Lederhosen, Dirndln und Gamsbarthüten und Fußballtrikots gemeinsam begeistert juchzen. Leicht auszumachende Hosen-Fans aus vielen Ecken Deutschlands und dem benachbarten Ausland arbeiteten unter professioneller Anleitung von Stofferl Well am Jodeldiplom, als er am Alphorn den Refrain „Djä hü hei ho, Oiperer“ vorgab. Das bunt zusammengewürfelte Publikum bestand auch den Stimmungstest mit einem noch stärkeren kollektiven „Jaaaaaa!“, nachdem es Hosen-Frontmann Campino mit einem „Das ist nicht Tegernsee, das ist Schliersee!“ dazu stimmgewaltig motiviert hatte.   

Und geht das jetzt zusammen, die Gstanzl und die rockigen Beiträge? Der Stimmungslage bei geschwenkten Hüten, tanzenden Trachtlern und lachenden Rockfans nach zu urteilen: auf jeden Fall. Das zeigte allein schon die Hymne „You’ll never walk alone“ mit dem aus den Wellschen Blasinstrumenten bestehenden Background. Außerdem rechtfertigte es jede Mühe, den Hosen beim Volkstanz und Campino beim Alphorn blasen zuzusehen.

Gerhard Polt, laut Campino „unser Libero und Mannschaftskapitän“, gab der Veranstaltung indes wie ein unverzichtbarer Spielgestalter Struktur. Mit unvergleichlichen Bonmots als Tiroler Tourismusmanager wie „Es sind Menschen umgekommen, aber auch Touristen“ spinnte Polt routiniert die Fäden ins Publikum – genauso wie als indischer Pfarrer oder mit einem afrikanischen Gassenhauer.

Das fast wie eine größere Familienfeier anmutende Fest am Schliersee traf den Nerv von Zuhörern aller Couleur. „Manches habe ich zwar nicht ganz verstanden, aber mir hat’s super gefallen“, ließ ein fünf Stunden aus Würzburg angereister Mittzwanziger im Hosen-Hemd wissen. Auch ein in der Schlierseer Ecke wohnender Trachtler im Rentenalter war zufrieden. „Den Polt hab ich schon gesehen, die Toten Hosen noch nicht“, freute er sich über kulturelle Bewusstseinserweiterung beim Bauerntheater der besonderen Art. Oliver Albrecht       

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