Es gibt Dinge, die man schon immer mal machen wollte oder sollte. „Okay, dann melde uns an“, fällt dann im Alter von Anfang Mitte Fünfzig endlich die Entscheidung, beim ADAC ein Fahrsicherheitstraining mit dem Menschen zu machen, der das auch so lange vor sich hergeschoben hatte.
Schließlich stehen ihre beiden schwarzen BMW-Cabrios vor der Tür, von denen sie nicht alles wissen. Während der eine auswendig die technischen Daten seines Frischluftflitzers runterbeten kann, schafft der andere das immerhin mit Hilfe des Fahrzeugscheins. Wie die Autos aber in schwierigen Situationen beherrschbar sind, bleibt immer offen, wenn auf der Terrasse launig Benzin geredet wird.
Im Seminarraum des Fahrsicherheitszentrums Augsburg verstärkt sich bei einer kurzen theoretischen Einführung der Eindruck, dass es Zeit für das Anti-Schleuder-Diplom wird, denn ein hoher Prozentsatz an jungen Autofahrern bereichert die Gruppe von rund 15 Personen. Vom Fahranfänger bis zum Beifahrer, dessen Partnerin sich beim Fallen erster Regentropfen nicht mehr ans Lenkrad traut, reicht die junge Fraktion.
ADAC-Dozent Andreas, dessen motivierende Stimme für die nächsten knapp fünf Stunden aus dem Funkgerät schnarrt, führt die Teilnehmer in die Fähigkeiten ihrer Automobile in kritischen Situationen ein.
Sie erfahren, was eine richtige Vollbremsung ist („voll auf das Bremspedal treten, eure Autos sind dafür entwickelt.“), bremsen sich Erfahrung und Wissen bei verschiedenen Geschwindigkeiten, bei trockenem und glattem Untergrund sowie beim Ausweichen vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis an. Beim Schlangenlinienfahren ist der Trick, dorthin zu schauen, wo man hinfährt, dann hat man alle Hindernisse auf einmal im Blick. Und Jahrzehnte lange Klischees aus der Fahrschule verlieren ihre Wirkung: Selbstverständlich kann man beim Ausweichen vor Hindernissen das Lenkrad per Übergreifen führen.
Als Highlight des Tages geht es auf die Kreisbahn, um das richtige Kurvenfahren zu erlernen. „Und weg ist das Heck“, schnarrt Coach Andreas genüsslich ins Funkgerät, wenn die Probanden einer nach dem anderen den Abflug aus der Kurve machen, weil sie bei glatten Straßenverhältnissen mit zu viel Speed eingefahren sind. Das Lernziel, was die richtige Geschwindigkeit ist und dass eine Vollbremsung auch in der Kurve Leben retten kann, räumt mit so manchem Halbwissen auf. Zum Beispiel damit, dass sich das Auto schon von selbst in die Kurve reinzieht.
Gratis gibt es noch den Hinweis, dass teure Reifen nicht immer besser sind als günstigere. „Ihr könnt euch auch den Testsieger kaufen. Sie wirken nur optimal, wenn sie für euer Auto die besten sind“, gibt Andreas mit auf den Weg. Getestet würden die Reifen nämlich alle auf demselben Modell.
Ob das Training etwas gebracht hat? „Vor dem Kurs hatte ich etwa zehn Prozent Selbstvertrauen am Lenkrad, jetzt so ungefähr 70 Prozent“, gibt die Teilnehmerin als schönstes Feedback, die vor dem Training noch angegeben hatte, sich schon bei leichtem Regen nicht mehr ans Steuer zu trauen – zur sichtlichen Erleichterung ihres Partners.
Weil Dozent Andreas einem noch Sitz und Lenkrad in die sicherheitstechnisch richtige Position gebracht hatte, kommt man sich wie ein Pudel vor, der mit erhobenen Händen um Futter bettelt, wenn man hinterher in Richtung heimische Garage düst und denkt noch an den aufmunternden Kommentar des Freundes: „Wie ein Spießer“, hatte der die neue Sitzposition kommentiert. Doch was hilft’s: Es war ja ein Sicherheitstraining und kein Seminar für angewandte Lässigkeit im Fahrersitz.
Das dürfte auch der Grund sein, warum der zur lässigen Liegehaltung tendierende Kollege am nächsten Tag per Whatsapp mitteilt: „Ich buche nächste Woche den Aufbaukurs. Bis du dabei?“
Aber sicher!